Customer Journey – der Heilige Gral des modernen Marketings oder doch nur heiße Luft?

Die moderne Customer Journey

Eine Frage, die bei stark propagierten und populären Konzepten eigentlich immer berechtigt ist. Im vorliegenden Fall möchte ich sie aus meiner subjektiven Sicht, aber auch aus der Perspektive von ORBIS behandeln.

Lassen Sie uns mit der notwendigen Begriffsbestimmung beginnen. Wir wollen uns bei diesem trockenen Thema nicht allzu lange aufhalten, aber ein bisschen muss sein. Als Customer Journey bezeichnet man die „Reise“ eines potenziellen Kunden über verschiedene Kontaktpunkte mit einem Produkt, einer Marke oder einem Unternehmen, bis er eine gewünschte Zielhandlung durchführt. Gängige Zielhandlungen sind Käufe, Bestellungen oder Anfragen.

Keine Customer Journey ohne Buyer Persona!

Ist die Reise jedes potenziellen Kunden identisch? Nein, selbstverständlich nicht. Die Durchlaufzeiten durch die Customer Journey sind individuell sehr unterschiedlich, genauso wie die Anzahl der Touchpoints, die berührt werden. Solange die Route und die Erwartungshaltungen gleich sind, kann man dennoch von einer gleichen Customer Journey sprechen. Aber auch das trifft nicht auf alle potenziellen Kunden zu. Um der Unterschiedlichkeit in den „Reiserouten“ Rechnung zu tragen, wurde gemeinsam mit der Customer Journey auch das Konzept der Buyer Persona eingeführt.

Buyer Personas sind typische Vertreter einer bestimmten Zielgruppe. Sie werden anhand von soziodemographischen Merkmalen und Lifestyle Typenbeschrieben. Der wesentliche Gedanke hinter Buyer Personas ist, Zielgruppen konkrete Gesichter zu verleihen, weshalb die optische Beschreibung der Person und die Auswahl eines Namens von großer Bedeutung ist. Dadurch wird es viel einfacher sich in die Lage des Kunden zu versetzen und sie oder ihn direkter und persönlicher anzusprechen.

Die 5 Phasen der Customer Journey – mehr als nur heiße Luft

Moment mal, Zielgruppe, das kennt man doch schon seit Jahrzehnten! Wenn man sich die Modelle zur Customer Journey und dort vor allem die Gliederung in die einzelnen Phasen hernimmt, wird man auch auf Altbekanntes treffen.

In der Customer Journey unterscheidet man im Allgemeinen folgende fünf Phasen:

  • Awareness (Interesse wird geweckt)
  • Consideration (Interesse wird konkretisiert)
  • Conversion/Purchase (Kaufentscheidung wird getroffen)
  • Retention
  • Advocacy (Erfahrungswerte werden mit anderen geteilt)

Das sieht doch einem legendären Marketingkonzept sehr ähnlich. Wer kennt sie nicht die AIDA- Formel, die für Attention/Interest/Desire/Action steht. Haben wir damit die Customer Journey gleich beim ersten Hinsehen als heiße Luft, oder noch besser, als alten Wein in neuen Schläuchen enttarnt?

So einfach sollten wir uns die Sache nicht machen. Eigentlich beweist diese Erkenntnis nur, dass die Grundprinzipien des Marketings empirisch wirklich sehr gut fundiert sind und dass Customer Journey Management und Buyer Personas nicht etwas vollständig Neues sind, sondern auf fundamentalen Erkenntnissen aufbauen und diese weiterentwickeln. Es wird der gestiegenen Komplexität in der Kommunikation und Interaktion Rechnung getragen.

Nicht nur das: Die Entwicklung persönlicherer Botschaften, die auf die individuellen Bedürfnisse und Erwartungen der potenziellen Kunden zugeschnitten sind, wird erleichtert.

FAZIT 1: Customer Journey Management ist kein Game Changer, sondern eine sinnvolle und zeitgemäße Weiterentwicklung klassischer Marketing-Grundsätze und –Formeln.

Nicht überall, wo Customer Journey drauf steht, ist auch Customer Journey drin!

Wenn das Konzept an sich schon so hilfreich ist, wie gut muss es dann sein, wenn Marketing-Applikationen Module zum Thema Customer Journey anbieten? So oder ähnlich war die Erwartungshaltung, bevor ich die ersten Apps und Marketing-Suiten begutachtet hatte, wie auch zum Beispiel Dynamics 365 Marketing von Microsoft. Die Enttäuschung war groß, die Funktionalitäten und Module führten zwar Customer Journey im Namen, konnten allerdings entweder nur Fragmente des Customer-Journey-Konzepts abdecken oder waren klassische Kampagnenplaner mit anderen Namen, also alles andere als der Heilige Gral.

Der Traum, dass die IT-Applikationen für alle Personas die gesamten Customer Journeys ohne großes Zutun der User orchestrieren können, erwies sich, zumindest in der Anfangsphase, als Illusion. Das Konzept Customer Journey hatte in der Marketing-Community so erfolgreich eingeschlagen, dass alle auf diese Karte setzten, auch wenn sie noch nicht ausreichend vorbereitet waren.

FAZIT 2: Der Begriff Customer Journey ist so populär geworden, dass er inflationär und manchmal auch missbräuchlich verwendet wird. Viel Wissen um die Materie ist Voraussetzung, um fundierte von oberflächlichen Ansätzen unterscheiden zu können.

Analoge Workshops zur Erarbeitung digitaler Inhalte

Die Softwarelösungen konnten einem also nicht die Arbeit vollständig abnehmen, aber die intensive Auseinandersetzung damit hat zu einem tieferen Verständnis der Konzeption beigetragen. So hat auch das Team „Marketing Applications“ von ORBIS bei der Recherche und Begutachtung vorhandener Lösungen zu Customer Journey Management wertvolle Erfahrungen sammeln können.

Eine Erkenntnis daraus: Die Vorbereitung (also die Analyse von Personas, Touchpoints und das Mapping der Customer Journeys) ist eine weitgehend „analoge“ Aufgabe, die von abteilungsübergreifenden Teams im Unternehmen als Workshop wahrgenommen werden sollte. Digitale Lösungen dienen in diesem Prozessschritt der Datenlieferung und der Dokumentation. Aus diesem Grund gibt es auch bei ORBIS Consultants, die beim Aufbau bzw. Mapping der Customer Journey unterstützen und den Prozess mit den Kundenteams moderieren. Man sollte sich für diesen Schritt ausreichend Zeit nehmen und die Ergebnisse am besten durch gezielte Marktforschung verifizieren.

FAZIT 3: Auch beim Konzept Customer Journey gilt der alte Grundsatz, dass eine gründliche und professionelle Vorbereitung eine unerlässliche Voraussetzung für Top Ergebnisse darstellt.

Ewig grüßt das Pareto Prinzip

Ein weiterer Baustein für eine erfolgreiche Umsetzung ist es, die natürliche Balance zwischen gründlicher Analyse und holistischer Betrachtung in der Grundkonzeption und dem Mut zur Lücke in der Umsetzung zu bewahren. Anders gesagt: Bemühen Sie sich gar nicht, die restlichen 20 %, die im Pareto Prinzip beschrieben werden, in der Umsetzung zu realisieren! Eine vollständige Journey zu skizzieren, ist schon nicht leicht. Diese Journey allerdings entlang eines jeden Touchpoints aktiv zu orchestrieren, ist eine Herkulesaufgabe.  Wenn man bedenkt, wie sehr man die Customer Experience verbessern kann, wenn nur die wichtigsten Personas bei deren wesentlichen Touchpoints gemäß ihrer Erwartungshaltung behandelt werden, dann wird man sich um die vollständige Abdeckung der gesamten Customer Journey nicht weiter sorgen.

FAZIT 4: Die Customer Journey hat zwei Gesichter, ein theoretisch-konzeptionelles und ein operatives. Das theoretische Konzept ist in sich konsistent. Wenn man bei der operativen Umsetzung den Mut zur Lücke aufbringt, wird man mit sehr guten Erfolgen belohnt werden.

Fragmentierung als Erfolgsfaktor

Gehen wir davon aus, dass die Hausaufgaben in der Analyse, im Journey Mapping und der Validierung erfolgreich gemacht wurden. Wenn Sie heute daran gehen, diese Journey durch eine Marketing-Applikation zu orchestrieren, stehen Ihre Chancen, erfolgreich zu sein, wesentlich besser als noch vor drei Jahren.

Microsoft Dynamics 365 Marketing wurde z. B. hinsichtlich der Funktionalitäten und der Technologie mit der Real Time Journey in einer Weise weiterentwickelt, die Customer Journeys tatsächlich abbilden und unterstützen kann. Mit einer Einschränkung: Die Journey sollte in „Reiseabschnitte“ unterteilt werden. Die Fragmentierung der Teilstrecken kann, jeweils auf die Persona zugeschnitten, sehr detailliert bestimmt werden. Damit bewirken Sie eine hervorragende Customer Experience. Mit den geeigneten Tools, zum Beispiel Microsoft Power BI, werden die Teilabschnitte zu einer End to End Journey zusammengefasst und liefern so den vollständigen Überblick.

Schlussfolgerung

Die Customer Journey ist viel mehr als nur ein zusätzliches Buzzword im Marketing. Sie stellt die Übertragung fundamentaler Grundprinzipien des Marketings auf die aktuellen technologischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen dar. Wenn Sie sich in Ihrer Organisation auch auf die Reise begeben und die hier dargestellten Aspekte bei der Umsetzung berücksichtigen, werden Sie schon bald mit dieser Meinung übereinstimmen!

AUTOR
Martin Hofbauer, ORBIS Austria
AUTOR Martin Hofbauer BC Leiter Business Center Marketing Applications, ORBIS Austria
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