Serviceprozesse im Wandel: Die Umfrageergebnisse zur Digitalisierung des Kundenservice hinsichtlich Omnichannel und KI

Umfrage Digitalisierung des Kundenservice

Anfang dieses Jahres haben wir gemeinsam mit dem Kundendienst Verband Deutschland (KVD) eine Umfrage zum Thema „Serviceprozesse im Wandel“ gestartet. Über acht Wochen hinweg konnten uns Mitglieder des KVDs ihre Einschätzung zu den Herausforderungen der Digitalisierung des Kundenservice im Hinblick auf Omnichannel und Künstliche Intelligenz (KI) mitteilen. 43 Teilnehmende, vornehmlich aus dem Bereich Maschinen- und Anlagenbau, haben sich beteiligt. In unserem heutigen Blogbeitrag stellen wir Ihnen die wichtigsten Ergebnisse vor und diskutieren diese mit unseren beiden ORBIS Experten Benjamin Meier und Mathias Eggert.

Unsere Experten im Gespräch

Benjamin Meier (links) gehört seit 12 Jahren zum ORBIS-Team. Im Fokus seiner Tätigkeit liegt der End-2-End-Serviceprozess. Als Consultant konnte er dabei vielfältige Erfahrung in der verarbeitenden, Bauzulieferer- und Elektronikindustrie sammeln. Seit Anfang 2024 ist er Teamleiter im Bereich SAP CX Service, S/4HANA Service und SAP FSM.

Mathias Eggert (rechts) ist seit 2011 im Bereich Microsoft Dynamics Customer Engagement mit Schwerpunkt Energieversorgung tätig. Seit September 2023 ist er bei der ORBIS SE gemeinsam mit Dimitri Tsikes verantwortlich für das Business Center Service.

Ergebnisse zur Digitalisierung im Service

Die Anforderungen an den B2B-Kundenservice haben sich in den vergangenen Jahren einem Wandel unterzogen. Kunden erwarten schnelle Reaktionszeiten, vielfältige Kommunikationswege und vieles mehr. So wird es auch erforderlich, dass Prozesse im Service angepasst werden. Aber welche Themen sind dabei bei Teilnehmenden der Umfrage relevant?

Hier wurden vor allem Digitalisierung des Kundenservices, Auslastung der Serviceorganisation, Predictive Maintenance und die Steuerung von Außendiensteinsätzen als am relevantesten genannt. Self-Service-Angebote liegen etwas zurück und auch das Trendthema KI wird noch zögerlich betrachtet.

Die Fragen an unsere Experten

ORBIS: Inwieweit decken sich diese Antworten mit den Erfahrungen aus unseren aktuellen Projekten?

Antwort Benjamin Meier: Auch in unseren Projekten sind weiterhin klassische Themen, wie die Optimierung der Planung von Außendienstmitarbeitern und der Auslastung der Serviceorganisation im Fokus. Aber gerade bei Interessenten, die aktuell in der Planung sind und hier Projekte vorantreiben wollen, sollten und werden KI-Themen schon jetzt angefragt und mitgedacht.

Antwort Mathias Eggert: Das ist auch ein ganz wichtiger Punkt, wenn man auf zukunftsfähige Lösungen setzen will. Man sollte diese Möglichkeiten nutzen, um auch Erfahrungen zu sammeln, wie KI die Prozesse im Arbeitsalltag unterstützen kann. Das geht auch mit kleinen, ersten Schritten. Aber der Großteil der Unternehmen ist sich dessen auch bewusst.

ORBIS: Schaut man sich die Ergebnisse zur Relevanz an, könnte man vermuten, dass die Auslastung der Serviceorganisation und die Steuerung von Außendiensteinsätzen somit auch Treiber der Digitalisierung im Service sind?

Antwort Mathias Eggert: Aktuell sehen wir eher die Ressourcenknappheit als einer der Haupttreiber für die Digitalisierung im Service. Fachkräftemangel macht es z. B. erforderlich, dass wir schneller und übersichtlicher auf Informationen bzw. Wissen zugreifen und Ressourcen besser und einfacher geplant werden können.


Ergebnisse hinsichtlich KI im Service

Am Thema KI kam man im Jahr 2024 nicht vorbei. Dennoch nahm es in unserer Befragung zur aktuellen Relevanz für die Teilnehmende nur den letzten Platz ein, auch wenn 48 % angaben, KI bereits in Ihren Serviceprozessen zu nutzen.

Die Einordnung unserer Experten zu den Ergebnissen zum Thema KI

ORBIS: Für knapp 27 % der Befragten wird KI in Zukunft von Bedeutung sein. Aber auch wer jetzt aktuell in die Digitalisierung des Service einsteigt, muss sich zwangsläufig mit KI auseinandersetzen, oder?

Antwort Benjamin Meier: Wer es nicht tut, stellt sich damit selbst ins Abseits. Denn die Tools sind da und der Wettbewerb nutzt sie oder wird sie nutzen. Wer konkurrenzfähig bleiben will, kann sich vor dem Thema nicht verschließen.

Antwort ORBIS: Dann ist es ja gut, dass KI von unseren Befragten zumindest teilweise schon genutzt wird. Vor allem in den Bereichen Predictive Maintenance und kontextbezogener Lösungen für Agents und Techniker sowie bei der Planung von Serviceeinsätzen. Welche Funktionen sind da heute schon in den Standard-Lösungen mit drin.

Antwort Benjamin Meier: Die Entwicklungen sind hier rasend schnell. Stand heute kann die SAP Service Cloud durch Machine Learning Fälle kategorisieren, Lösungsvorschläge anhand ähnlicher Fälle empfehlen oder maschinelle Übersetzungen liefern. Darüber hinaus hat man die Möglichkeit sich durch generative KI-Inhaltsangaben zum Kunden ausgeben zu lassen oder sich Fälle zusammenfassen lassen. Und auch bei der Erstellung von E-Mails unterstützt KI durch passende Mailentwürfe.

Antwort Mathias Eggert: In den Microsoft Lösungen wie Dynamics 365 Customer Service oder Field Service ist hier vor allem die Einbindung des Microsoft Copilots zu nennen. Der Copilot nutzt dabei z. B. vorhandene Wissensdatenbanken als Quelle, um spezifische Antworten für die Mitarbeiter und Kunden zu formulieren. So lassen sich Reaktionszeiten verkürzen. Ebenso lassen sich Tickets und Arbeitsaufträge für die Servicemitarbeiter zusammenfassen, um schneller einen Überblick zu erhalten. Wichtig dabei ist, den Copilot als Unterstützung zu sehen. Der Servicemitarbeiter behält die Kontrolle und entscheidet, welche Information z.B. an den Kunden versendet wird.

ORBIS: Über 90 % der Befragten sehen den größten Vorteil bei der Nutzung von KI in der Steigerung der Effektivität bzw. Produktivität sowie in der Steigerung der Qualität. Welche weiteren Vorteile seht ihr?

Antwort Mathias Eggert: Durch den Einsatz von KI können sich Mitarbeiter stärker auf Expertenaufgaben konzentrieren. Wiederkehrende Routineaufgaben können automatisiert werden, um Freiräume für komplexere Aufgaben zu schaffen und somit den Arbeitsalltag zu erleichtern.

Antwort Benjamin Meier: Auch die Einarbeitung bzw. Aufgleisung von Mitarbeitern wird erleichtert. Allein schon durch die bessere und einfachere Bereitstellung von Informationen und Wissen. Auch hier wieder das Schlagwort: Fachkräftemangel.


Ergebnisse zur Omnichannel-Ausrichtung

Dass Self-Service-Angebote für viele unserer Befragten noch ein Thema für die Zukunft sind, zeigt sich auch in den Ergebnissen zu der Frage „Welche Kommunikationswege sie ihren Kunden oder Fachpartnern anbieten“. Klassische Kommunikationswege wie E-Mail, Telefon, mobile Endgeräte (Außendienst) werden von den meisten genutzt. Social Media, Self-Service-Portale und Apps holen erst auf.

Wie lässt sich der Omnichannel-Ausrichtung begegnen?

ORBIS: Mit zunehmender Anzahl an Kanälen wird es schwieriger den Überblick zu behalten, wie gewährleisten Lösungen wie die SAP Service Cloud oder Dynamics 365 Service hier eine umfassende Übersicht?

Antwort Mathias Eggert: Im Fall von Dynamics 365 Service laufen alle Anfragen, egal über welchen Kanal sie kommen, im Digital Contact Center zusammen und können direkt von dort kanalspezifisch bearbeitet werden. Auch hier können KI-Funktionalitäten zum Beispiel durch Spracherkennung oder vorgeschaltete Chatbots unterstützen, um eventuell eine Lösung zur Serviceanfrage vorzuschlagen oder schneller den passenden Mitarbeiter zu finden.

Antwort Benjamin Meier: In der SAP Service Cloud gewährleistet dies das Agent Desktop. Es ist das zentrale Interface, das Support-Mitarbeiter und Callcenter-Agenten bei ihrer täglichen Arbeit unterstützt und ist darauf ausgelegt, alle notwendigen Funktionen für die Bearbeitung von Kundenanfragen in einem einzigen Arbeitsbereich zu bündeln. Dadurch wird auch eine schnellere Fallbearbeitung möglich.

ORBIS: Apropos schnelle Fallbearbeitung. Im Hinblick auf den Fachkräftemangel und den Wunsch der Kunden nach 24/7 verfügbarer Problemlösung könnten Self-Service-Portale noch schneller an Bedeutung gewinnen. Wie ist eure Einschätzung dazu?

Antwort Benjamin Meier: Für mich ein klarer Fakt. Wir kennen es aus dem privaten Umfeld, niemand verbringt gerne seine Zeit in der Warteschleife. Und im B2B-Bereich ist das nicht anders. Intelligente Chatbots werden hier in Zukunft durch KI-Unterstützung weitere Vorteile bringen. Man darf auch nicht vergessen, dass Self-Service-Portal auf die Kundenzufriedenheit einzahlen. Zum einen durch die Erreichbarkeit, aber auch durch eher weniger beachtete Funktionen, wie der Einsicht in den Ticketstatus.


Ergebnisse zum Wissensmanagement

Ein weiteres Thema unserer Zeit ist der Fachkräftemangel. Gerade im Service sind gute geschulte Mitarbeiter ein wichtiger Faktor für die Kundenzufriedenheit. Neue Mitarbeiter zu finden und sie schnell einzuarbeiten, stellen dabei eine große Herausforderung dar. 64 % der Befragten beurteilen dabei die Einarbeitung neuer Mitarbeiter mehrheitlich als gut, wenn auch zeitaufwändig, aber ca. 1/3 sehen auch Optimierungsbedarf. Zeitgleich ist Unternehmenswissen in den meisten Fällen teilweise bzw. gut dokumentiert.

Wissensmanagement – Herausforderungen in der Praxis

ORBIS: Kommen wir aber nochmal zu den Treibern der Digitalisierung zurück. Wir hatten hier schon mehrfach das Thema Fachkräftemangel angesprochen. Damit einher geht auch die Gefahr Unternehmenswissen zu verlieren. Doch Unternehmen sind sich dessen oftmals nicht bewusst. In unserer Umfrage gaben nur 25 % der Teilnehmenden an, dass Unternehmens- und Produktwissen dokumentiert und in strukturierter Form vorhanden ist. Wo liegen hier eurer Meinung die Hürden und wie kann man diesen begegnen.

Antwort Mathias Eggert: Es fehlen oftmals geeignete Tools und angepasste Prozesse, um das Wissensmanagement in Unternehmen zu fördern. Wertvolles Wissen geht verloren, weil es nicht zentral gebündelt und verwaltet wird. Der Mangel an Zeit durch eine hohe Auslastung verschärft dieses Problem, da dadurch häufig auch keine klare Strategie für den Umgang mit Wissen definiert wird. Daher ist es wichtig, für dieses Thema zu sensibilisieren und nach Möglichkeit auch frühzeitig bei der Digitalisierung mit anzudenken. Künstliche Intelligenz kann zukünftig auch eine wertvolle Unterstützung bieten, indem sie Fälle automatisch zusammenfasst und für die Wissensdatenbank strukturiert aufbereitet.


Bereit für den Wandel im Service?

Um die Digitalisierung von Serviceprozessen zu meistern ist es u.a. wichtig, sich klarzumachen, inwieweit aktuelle Herausforderungen durch die Digitalisierung gelöst werden können bzw. inwieweit prozessoptimiert werden können. Das ist mitunter sehr individuell. Trotzdem wollten wir von den Teilnehmenden unserer Umfrage wissen, wo sie die größten Herausforderungen sehen. Hier wurden die Optimierung der eingesetzten Systeme, Prozessoptimierung, Effizienzsteigerung, Kostenoptimierung sowie die aktuelle Arbeitsmarktsituation genannt. Hinsichtlich der bestehenden Serviceprozesse wird am meisten Optimierungsbedarf bei der Transparenz der Bearbeitung sowie bei der Automatisierung, im Change-Management und bei der Recherche gesehen.

Die Einschätzung unserer Experten zu Serviceprozessen im Wandel

ORBIS: Wie beurteilt ihr die Antworten der Teilnehmende aus eurer Erfahrung?

Antwort Benjamin Meier: Change-Management wird häufig vernachlässigt, obwohl es entscheidend für den Erfolg ist. Es ist wichtig, die Beteiligten frühzeitig einzubeziehen und ihnen die Vorteile des Wandels aufzuzeigen, um Akzeptanz und Unterstützung zu schaffen und zu fördern.

Antwort Mathias Eggert: Da kann ich Benjamin nur zustimmen. Die Mitarbeiter bei der Digitalisierung von Serviceprozessen mitzunehmen und einzubinden, ist ein ganz wesentlicher Faktor. Schauen wir uns aber auch die Beurteilung bei der Automatisierung und Recherche an. Wissensmanagement ist das Stichwort zum Thema Recherche und auch KI wird hier wie auch im Hinblick auf Automatisierung viele Optimierungsmöglichkeiten bieten.

ORBIS: Gewachsene Unternehmensstrukturen, fehlende Ressourcen und technische Schwierigkeiten werden von den Teilnehmenden als größtes Hindernis bei der Optimierung bzw. Einführung von Serviceprozessen gesehen. Wie kann man dem aus eurer Sicht begegnen?

Antwort Benjamin Meier: Angesichts des demografischen Wandels und der bereits spürbaren Ressourcenknappheit steht ein noch größerer Umbruch bevor. Es wird zunehmend erforderlich, durch gezielte Maßnahmen fehlende Ressourcen auszugleichen, um den Auswirkungen des Fachkräftemangels entgegenzuwirken.

Antwort Mathias Eggert: Management Awareness ist hier noch ein wichtiger Punkt. Ohne die bricht man gewachsene Unternehmensstrukturen nicht auf. Die sich wandelnde Situation muss erkannt werden und zur Priorität gemacht werden. Damit es ein Erfolg wird, sollte der Prozess durch Change-Management zusätzlich begleitet werden, um auch den Nutzen und die Vorteile transparent aufzuzeigen.


Die Abschlussbetrachtung der Umfrageergebnisse unserer Experten

ORBIS: Was ist euer Fazit zu den Ergebnissen der Umfrage?

Antwort Mathias Eggert: Die Ergebnisse der Umfrage decken sich in vielen Punkten mit unseren Erfahrungen aus der Praxis. Im Hinblick auf die Digitalisierung von Serviceprozessen ist aktuell viel in Bewegung. Für den Großteil der Befragten hat das Thema auch am meisten Relevanz. Guter Service muss sich an den Kundenerwartungen messen lassen, im Unternehmen mit der entsprechenden Priorität und innovativen Technologien unterstützt sowie von den Mitarbeitenden mitgetragen werden.

Antwort Benjamin Meier: Das sehe ich ähnlich. Es ist wichtig, das Unternehmen und Mitarbeiter hier an einem Strang ziehen. Positiv überrascht hat mich, dass schon einige Unternehmen KI-Funktionen zur Lösung von Service-Fällen nutzen. Hier wird die Entwicklung in den nächsten Jahren sicher noch weiter voranschreiten.

Vielen Dank für das Interview! Gerne stellen wir Ihnen die vollständigen Unterlagen zur Befragung zur Verfügung.

AUTORIN
Sarah Klein, ORBIS SE
AUTORIN Sarah Klein Senior Marketing Managerin, ORBIS SE
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